Kirchgemeindenachrichten August/1992

Zum Kriegerdenkmal in Gaußig

Bis 1856 befand sich um die Kirche der Friedhof unserer Kirchgemeinde. Aus Gründen der Modernität und der "Hygiene", wurde er in diesem Jahr an seine heutige Stelle verlegt.
Die alte Friedhofsmauer wurde dabei abgebrochen und um den neuen Friedhof wiedererrichtet. Die letzten Reste des Friedhofes verschwanden, als 1873 die alte Kirche abgerissen und das jetzige Gotteshaus gebaut wurden. Erhalten blieben nur die Friedhofslinden. So war um die Kirche herum eine große Wiese entstanden, die an Markttagen und bei Kirmesbelustigungen gut genutzt wurde.
An der Stelle des heutigen Kriegerdenkmals wurde des öfteren ein Kettenkarussel aufgestellt. Unter der großen Linde, wo jetzt die Bushaltestelle errichtet ist, stand die beliebte Jahrmarktsattraktion "Haut den Lukas": Über 100 Buden umsäumten die Kirche an Markttagen. Bis hinunter zum Töpferdamm erstreckte sich das Markttreiben.
Daß man dabei auf einem Friedhof, auf Gräbern sich vergnügte, war der optimistischen Generation vor dem Weltkrieg nicht besonders anstößig.

 

Erst die 105 Männer aus unserer Kirchgemeinde, die nicht mehr aus dem Krieg heimkehrten, waren eine so große Erschütterung, daß der zentrale Platz des Kirchspiels wieder ein Ort des Totengedenkens wurde. Nach einigem Hin und Her - in Gnaschwitz, Arnsdorf, Dretschen und Naundorf wurden jeweils eigene Kriegerdenkmale errichtet - wurde in Gaußig ein eigener Denkmalsverein gegründet.
Der Vorsitzende des Vereins war der spätere Gaußiger Ehrenbürger Adam Graf Schall-Riaucour. Zugleich mit dem Denkmalsprojekt wurde auch ein neues Geläut für die Pfarrkirche realisiert. Da die alten Glocken für Kriegszwecke eingeschmolzen wurden, war es Trauerarbeit und Vergangenheitsbewältigung der damaligen Generation, wenn Glocken- und Denkmalsweihe zeitlich zusammengelegt wurden.


Im Kirchenvorstandsprotokoll vom 22.10.1921 ist dazu folgendes zu lesen:
"Nach Beendigung des Metallarbeiterstreiks in Dresden ist es der Firma Pietzel in Dresden möglich, die neuen Glocken bis Donnerstag den 27.Okt. zur Abholung bereitzustellen. Herr Stiebitz aus Diehmen, Löhnert aus Zockau und Hänchen, Gemeindevorstand in Naundorf, werden sie mit Wagen in Dresden abholen und nach Naundorf bringen, wo sie im Hof des K. V. Clemens Häntzschel in der Nacht von Donnerstag zu Freitag bleiben. Am Freitag den 28.0kt. sollen sie im festlichen Zuge, der sich von 2 Uhr an dort bildet, nach Gaußig geleitet und um 3 Uhr hier geweiht werden. Den Zug werden 20 Reiter eröffnen; ihnen schließen sich an die Jugend, Militärvereine, Schulkinder, andere Vereine und Glieder der Gemeinde.
Am Sonnabend findet der Aufzug der Glocken zum Turm statt und am Sonntag werden sie zum ersten Male im Festgottesdienst geläutet werden und zwar zuerst nach entsprechenden Worten des Geistlichen nach Vorlesung der Epistel vom Altar aus die kleine, dann die mittlere, dann die große Glocke und zuletzt alle drei zusammen. Hierauf werden sie ihre Stimme erschallen lassen für die Kinder und Konfirmanden, welche Lied 76 singen, dann für einen Brautzug - die Jungfrauen singen: So nimm denn meine Hände - dann für die Verstorbenen - der Kirchenchor singt: Wie sie so sanft ruhen - dann für die Gefallenen - dann zum Ausläuten derer, die unter uns sterben werden. Nach dem Hauptlied folgt die Festpredigt. Für die Glocken soll eine Kollekte eingesammelt werden".
Zwei Musikkapellen spielten bei der Weihe am Sonnabend. Kantor Zscharnack war mit dem Kirchenchor "gut drauf" und die Pfarrer Zieschang und Voigt aus Göda sprachen Grußworte.

 

Am Sonntagnachmittag (30.10.1921) wurde dann das Kriegerdenkmal, unter dem Geläut der neuen Glocken, geweiht. "Hohe, mit Kranzgewinden geschmückte Masten flankierten den zunächst noch durch eine Hülle verdeckten Denkstein. Herr Graf von Schall-Riaucour, als Vorsitzender des Denkmalsausschusses, begrüßte die Versammelten und richtete Worte des Dankes an Herrn Architekt Mörbitz aus Bautzen, der den Entwurf geliefert hat und an die Inhaber der Firma Forcke aus Demitz, die das Denkmal, eine sieben Meter hohe wuchtige Säule aus Zockauer Granit, hergestellt haben sowie an alle, die durch Opferwilligkeit und Hilfsbereitschaft zur Errichtung des Denkmals beigetragen haben, besonders die Herren Dietrich und Krätschel aus Gaußig. Nach Gesang und Prolog enthüllte der Vorsitzende des hiesigen Militärvereins, Herr Kaufmann Krätschel, hier das Denkmal und verlas die in drei am Denkmal angebrachten Bronzetafeln eingegrabenen Namen der 7 gefallenen Soldaten aus Gaußig und 11 weiteren Ortschaften.
Der Weiherede des Herrn Pfarrer Handrick lagen die Worte aus 2. Samuelis 1,27 zugrunde: "Wie sind die Helden gefallen und die Streitbaren umgekommen." Er schloß mit Gebet und Segen. Es folgten eine Reihe von Kranzniederlegungen. Viele kostbare Blumengebinde liegen zu Füßen des Ehrenmals.
Nach der Ehrensalve sprach Gemeindevorstand Herr Jatzke. Kantor Zscharnack umrahmte mit dem Kirchenchor, den Schulkindern und dem Gesangverein die Feier. Ebenso war auch beteiligt der Militärgesangsverein unter Herrn Stiebitz, Gastwirt in Gaußig.
Damit war der Friedhof wieder zu seinem Recht gekommen, als Ort des Gedenkens, nun aber für die, deren Grab fern der Heimat liegt.
Später wurde um das Denkmal eine Hecke gepflanzt. Freiwillige Helfer, Gemeindearbeiter, Kirchendiener mühten sich um die Anlage. Besonders hervorgehoben sei hier das Ehepaar Pietsch aus Gaußig, das viele Jahre diese Arbeit leistete.


Pfr. Gerd Frey