Kirchgemeindenachrichten Juni 1988


Marcello Bacciarelli: Heinrich von Brühl, um 1745
Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden
 

Das Titelbild ist ein Porträt von Heinrich Graf Brühl. Es wurde von einem Italiener geschaffen und hing bis zum letzten Krieg in dem Schloß Pförten, heute VR Polen. Mit dem Namen von Graf Brühl verbindet sich für uns heute die glanzvollste Ära Sachsens. Glanzvoll deshalb, weil unter August dem Starken und seinem Nachfolger Kunst und Kultur eine großartige Entfaltung nahmen. In dieser Zeit wirkten in Sachsen bedeutende Künstler und Handwerker, von deren Werken noch kommende Generationen zehren werden.
Heinrich Graf Brühl war nach den Königen der wichtigste Repräsentant dieser Zeit. Für die Geschichte unserer Kirchgemeinde ist es daher bemerkenswert, daß er von 1747-1750 Kirchenpatron und Herr auf Schloß Gaußig war. Er wurde im Jahre 1700 auf dem Gut Gangloffsömmern geboren. Sein Vater war bankrott, und daher wuchs der Knabe unter einfachen Verhältnissen auf. Er wurde Page am Hof der Herzogin zu Weißenfels.
Durch ihre Empfehlungen kam er 1719 als Page an den Dresdener Hof. Graf Brühl soll ein äußerst anmutiger und anziehender junger Mann gewesen sein. August der Starke wollte ihn mehr und mehr in seiner Umgebung wissen.


1727 wurde er Kammerjunker und 1731 war er bereits Obersteuereinnehmer. Hierbei trat er auch dem Thronfolger nahe. Ihm überbrachte er die Nachricht vom Tode August des Starken. Unter dem neuen sächsischen König wurde Brühls Stellung immer gewichtiger. Besonders, als es ihm 1738 gelang, den Einfluß des Grafen Sulkowski auf den König zu beseitigen. Für ihn wurde der Titel Premierminister geschaffen. Im Laufe der Zeit wurde Brühl zu einem reichen Mann. Etwa 65.000 Taler betrug sein Monatseinkommen. Der Sammelleidenschaft seiner Zeit, was Bücher, Gemälde und Porzellane betraf, er war auch Chef der Meißner Porzellanmanufaktur, war er erlegen. Sein Lebensstil und die durch das Hofleben erworbene Glattheit im Umgang brachten ihm viele Feinde ein. Darum wurde auch seine Religiosität von Zeitgenossen als Heuchelei bezeichnet. 1740 ließ Graf Brühl ohne seinen Namen ein Andachtsbuch veröffentlichen.
"Die wahre und gründliche Gottseligkeit der Christen insgemein nebst einer Anleitung im Gebet" ...
... Für 52.000 Taler kaufte Brühl am 13. 9. 1747 von der Familie von Neidtschütz Gaußig und den dazugehörenden Besitz. Am 25.9. 1747 war Karl Heinrich Heinecke, sein Sekretär, nach Gaußig gekommen, um den Huldigungseid der Gaußiger, in dem "gegen morgen gelegenen Tafelzimmer" (vermutlich der heutige Spiegelsaal) entgegenzunehmen. Es wurden alle Untertanen verlesen. So gehörten u. a. zum Schloß Gaußig. 17 Personen, zu Gut Diehmen 24 Personen.

 

Der Huldigungseid, Brühl und seinen Erben treu und gehorsam zu dienen, wurde deutsch und wendisch verlesen. Der damalige Pfarrer Andreas Noack warnte wegen eines Meineides. Eide legten ab: die Schöffen und Richter der Dörfer, der Gerichtsdirektor, der Hausverwalter, der Jäger und der Vogt. Unterzeichnet und gesiegelt wurde dieses Dokument vom Notar, mit Pfarrer und dem Hausmeister.
Aber schon am 2.1.1750 mußte der in Schwierigkeiten geratene Brühl an den Grafen Keiserling verkaufen. Dieser war russischer Gesandter am Hof zu Warschau und zu Dresden. Somit wurde für Graf Brühl die Zeit sächsischer Adelsfamilie in Gaußig beendet, und Grafen, deren politisches Betätigungsfeld Warschau und Dresden war, interessierten sich für Gaußig und entwickelten den Ort durch ihre Bauten und Anlagen. Brühl konnte 758 Taler, die er der Gaußiger Kirche schuldete, nicht bezahlen. Durch den Siebenjährigen Krieg verarmte auch Graf Brühl. Von seinen zehn Kindern überlebten ihn vier Söhne und eine Tochter. Als der König am 5.10.1763 starb, bat Brühl am 13.10.1763 um seinen Rücktritt und starb am 28.10.1763.
Eine Kommission zur Prüfung Brühls ergab, daß 4.800.000 Taler wohl veruntreut waren, doch erreichten die Erben die Aufhebung des Verfahrens. Sein ältester Sohn trat nach dem Tode Friedrich August II. in den Dienst des polnischen Königs Poniatowski und war bis 1785 Gouverneur von Warschau. Durch ihn wurde wohl Peter, Freiherr von Riaucour, der in Warschau lebte, auf Gaußig aufmerksam gemacht, der am 18.10.1766 Gaußig kaufte.


Weiteres zu Brühl in 12/2000:

Heinrich Graf Brühl, geboren am 13. August 1700 in Gangloffsömmern, kaufte am 13. September 1747 Gut Gaußig mit den Dorfschaften Kleingaußig und Brösang, Günthersdorf, Golenz und Diehmen für 52.000 Taler neben 200 Dukaten Schlüsselgeld. Inbegriffen waren Möbel, Tapeten, Gardinen des Schlosses.
Am 30. November 1747 erfolgte seine Belehnung. Damit war er Gaußiger Kirchenpatron. Bereits am 2. Januar 1750 verkaufte er Gaußig für 52.000 Taler an den Grafen Keyserling.
Graf Brühl diente in seiner Jugend als Page am Hofe zu Weißenfels bei Leipzig. Dieser Hof war eine der ersten Fürstenpleiten in Deutschland, Grund: Verschwendungssucht. Mit 19 Jahren wurde Brühl dann Silberpage in Dresden. Durch sein gewinnendes Wesen, seine Kenntnisse des Hoflebens und seine Intelligenz machte er unter August dem Starken eine erstaunliche Karriere. Es war ihm gegeben, schwierige diplomatische Schriftstücke angemessen zu formulieren. Immer mehr Ämter häuften sich auf ihm. So wird er der eigentliche Bauherr Dresdens.

 

Als Minister legt er dafür Weitsicht an den Tag. "Als die Zeit des Barocks zu Ende geht und die Erkenntnis sich durchsetzt, dass zwar schön, aber auch zweckmäßig und bezahlbar gebaut werden muß, treten August der Starke und seine Baumeister ab."
Brühl vertraut in Architekturfragen dem Architekten Knöffel. Ihm vertraut er seine Privatbauten an und ernennt ihn zum 3. Oberlandbaumeister in Sachsen. Schloss Nischwitz bei Wurzen hat als einziges Werk Knöffels bis in die heutige Zeit in etwa seine Ursprünglichkeit bewahrt. Im Gegensatz zum Barock kam es dem Baumeister darauf an, auszudrücken, dass man nicht auf der Straße wohnt. Somit wurden üppige Fassadengestaltungen vermieden. 1748 begannen unter Knöffels Leitung Neugestaltungen des Gaußiger Parkes und des Schlosses, dessen äußeres Erscheinungsbild sich bis heute durchgehalten hat.
Graf Brühl starb am 18. Oktober 1763, nachdem durch den 7-jährigen Krieg Sachsen bankrott war. In der Nicolaikirche zu Forst wurde er beigesetzt.
aus Walter Fellmann: Heinrich Graf Brühl Ein Lebens- und Zeitbild. Leipzig: Köhler und Amelang


Pfr. Gerd Frey


Kirchgemeindenachrichten Mai 1988

Graf Heinrich von Brühl in seiner Zeit

Eine Heimatsage berichtet, daß der Sohn Augusts des Starken, König Friedrich August II., bei einem Besuch in Gaußig seinen Rückweg nach Dresden über Medewitz nehmen wollte. Doch an der Töpferei war die Fahrt zu Ende. Die Kutsche blieb im Morast stecken. Der König mußte zurück ins Schloß. Dieser Zwischenfall sei der Anlaß zur Errichtung des Töpferdammes gewesen. Er zerschneidet auch heute noch eine leider weitestgehend zerstörte Sumpflandschaft. Wenn man auch zu diesem Vorkommnis nichts Genaues sagen kann, so ist doch Friedrich August II. der erste König, von dem wir wissen, daß er im Bereich unserer Kirchgemeinde weilte. Sein Freund und Berater, Graf Brühl, besaß von 1747 bis 1750 Gaußig. Er hat im Schloß einen wesentlichen Teil seiner Bildersammlung untergebracht. Es mag den königlichen Kunstkenner öfter nach Gaußig gezogen haben. Daß seine Verbindung mit der Lausitz nicht unwesentlich gewesen sein muß, belegen noch heute die im Bautzener Domschatz vorhandenen Meßgewänder, die seine Frau, die Kaiserstochter Josepha, aus ihren Hochzeitskleidern herstellte. Auch war Graf Brühl Domprobst zu Sankt Peter in Bautzen. Diese Bezeichnung stand seit den Tagen der Reformation immer einem Lutheraner zu. Es legte daher auch Zeugnis ab von dem friedlichen Um- und Nebeneinander von katholischen und evangelischen Christen.-

 

Anders war es in den eigentlichen sächsischen Erblanden. Hier war in der Reformationszeit die römische Kirche vollständig untergegangen. Sachsen war das eigentliche Zentrum der Kirchenreform und die Hochburg des Luthertums. Um so einschneidender war es, als August der Starke 1697, gut 3 Wochen vor seiner Wahl zum polnischen König, zum römischen Katholizismus übertrat. Man darf freilich diesen Übertritt nicht als ein reines machtpolitisches Vergehen beurteilen, sondern muß aus dem Lebensgefühl der Zeit, August zu verstehen suchen. Gab es doch gerade nach dem 30-jährigen Krieg, in dem sich um des rechten Glaubens Willen die Christen furchtbare Dinge antaten, viele Stimmen, u. a. die von Leibnitz, die die Kluft zu den Konfessionen überbrücken, ausgleichen wollten. Durch seine Kavalierstour hatte August der Starke sicherlich positive Eindrücke vom kirchlichen Leben in Spanien, Frankreich und Italien erhalten.
August beruhigte seine Sachsen, die etwas verwirrt waren, dahingehend, daß sein Übertritt Privatangelegenheit sei und Sachsen nicht "gekränkt" wird. Doch nun begann das Tauziehen um seinen im Oktober 1696 geborenen Sohn von seiner rechtmäßigen Frau. 1701 fragte der damalige Papst bei August an, warum der Kurprinz protestantische Lehrer hat. August versprach, für Rom alles zu geben, sogar sein Blut, aber leider. . . "momentane Schwierigkeiten"!


Die Erziehung wurde der Mutter und Großmutter des Prinzen übertragen. Daher kamen keine römischen Katholiken an das Kind heran. Als der Prinz schließlich öffentlich und entsprechend feierlich konfirmiert wurde, geriet August durch den Papst in die Bredouille.
"Gott läßt sich nicht spotten", sprach der Papst und ließ, ganz nebenbei, etwas von dem schwierigen Gehorsam der Polen durchblicken. 1711 bestimmte August in Prag, daß der Prinz einen katholischen Hofstaat bekommen sollte. Doch besuchte der junge Herr noch demonstrativ den lutherischen Gottesdienst. Bei der Kaiserwahl in Frankfurt war es dann soweit. Die evangelischen Begleiter des Prinzen wurden entfernt, außer Koch und Arzt, und der junge Herr wurde 7 Jahre von Sachsen, seiner Mutter und Großmutter ferngehalten. Im November 1712 erfolgte in Bologna der Übertritt des sächsischen Prinzen zur katholischen Kirche. Im Winter 1715 versuchte seine fromme Mutter, die man als "Betsäule von Sachsen" bezeichnete, mit ihrem Sohn Kontakt zu bekommen. Das Gerücht ging, daß durch die politischen Abenteuer Augusts das gute Geld der evangelischen Untertanen so ziemlich aufgebraucht sei und Sachsen wieder einen Landesherren braucht, der im Glauben seiner Untertanen beheimatet ist. Aber alles war zu spät. Nach dem Tod der Mutter Augusts des Starken wurde der heimliche Übertritt des Prinzen am 1. Juli 1717 bekanntgegeben.

 

Waren in der Lausitz die Beziehungen zwischen Katholiken und Lutheranern gut geregelt, so gestaltete sich die Entfaltung der katholischen Kirche in Sachsen als sehr schwer. Reformationsfeierlichkeiten 1718 auf Geheiß des Papstes Abbruch zu tun, konnte sich August nicht verstehen. Und als dann noch viele Flüchtlinge nach Sachsen kamen, so die Salzburger, die ihr Erzbischof mitten im Winter wegen ihres evangelischen Glaubens aus der Heimat vertrieb, wurden in Sachsen starke antikatholische Stimmungen laut. - Doch die Zeit, da die Kirche Machtpolitik betrieb, ist vergangen. Gott hat alles, was damit zusammenhing, ins Gericht gegeben.
Die Geschichte unserer Kirchgemeinde ist eigentlich ein gutes Beispiel für das Zusammenleben von evangelischen und katholischen Christen. In der Zeit vor Pfingsten wollen wir daher in besonderer Weise um die Einheit im Glauben beten. Nicht zuerst, weil es uns als vernünftig erscheint, sondern weil es der Herr will.


Pfr. Gerd Frey