Gemeindenachrichten März 1994

  Frau Klaus kann sich erstaunlicherweise sogar noch an so manche Begebenheit aus der Zeit ihrer Kindheit und Jugend erinnern. Diese bezeichnet sie im Rückblick als sehr schön.
Dabei mußte sie - in Medewitz geboren, in einer Familie mit zehn Kindern aufgewachsen und dann in Brösang wohnend - den täglichen Schulweg nach Gaußig in Holzpantoffeln oder barfuß zurücklegen und dann zu Hause neben der Erledigung der Hausaufgaben oft Heimarbeit - Anfertigung von Kunstblumen - verrichten. Diese wurden dann in Tragekörben über Diehmen und den Fuchsberg zu Fuß nach Neukirch gebracht und dort bei einer Firma abgeliefert. Ihre Eltern arbeiteten auf dem Gaußiger Rittergut.Jeder Groschen Arbeitslohn mußte zweimal umgedreht werden, und der gar nicht hohe Erlös aus dem Blumenverkauf wurde - neben dem Nutzen aus der häuslichen Tierhaltung und der Gartenarbeit - noch dringend zum Lebensunterhalt der Familie gebraucht Eine willkommene Abwechslung bot dann für die Kinder stets der Gaußiger Jahrmarkt oder auch ein Schulfest; die Mutter gab ihnen da ein paar Groschen mit. Manchmal spendierte der Graf für die Kinder Freifahrten auf dem Karussell o.a.

Mit "Buschkarten" durfte im Sommer in die Heidelbeeren gegangen werden, wobei da Herr Janoschka strenge Kontrolle ausübte. Ziele von Wandertagen damals waren der Butter-, Kloster- und Valtenberg. In der achtjährigen Gaußiger Schulzeit hatte Frau Klaus pro Klassenstufe vier oder fünf Lehrer; sie nannte die Namen Gude, Zscharnack, Wahode, Handrick und Sorber.
Nach ihrer Schulentlassung ging Frau Klaus "in Stellung". Sie war bei verschiedenen Bauern in Rothnaußlitz, Zockau, Pommritz bzw. Drauschkowitz tätig, wobei sehr oft der Arbeitstag - durch die Tierfütterung, die Feld- und Hofarbeit - von 4Uhr morgens bis 20 Uhr abends währte und die Entlohnung gering war (z.B. 87 Pf/h); man konnte sich auch öfter nicht sattessen.
Mit ihrem Ehemann wohnte dann Frau Klaus in Brösang. Zwei ihrer drei Söhne verlor sie krankheitshalber leider schon in deren frühem Kindesalter. Als durch die jahrelange, anstrengende Erwerbstätigkeit auch ihr Mann nicht mehr gesund war, mußte sie allein für den Lebensunterhalt der Familie aufkommen. Dieses oblag ihr auch schon, als der Gatte Soldat sein mußte. Frau Klaus hat in einem Doberschauer Betrieb, in der Gnaschwitzer "Pulverfabrik" und in einer Bautzener Produktionsstätte jeweils mehrere Jahre gearbeitet. Später hat sie noch ihren verwitweten, kranken Vater versorgt.
  Als nach dem Ableben des Vaters und des Ehemannes in den sechziger Jahren Frau Klaus alleinstehend geworden war, wurde sie von ihrem dritten Sohn und dessen Frau in Drauschkowitz freundlich aufgenommen. Sie kann aber auch jetzt noch so manches für sich selber tun.


1995 Gratulation zum 97.
Die Vollendung des 98. Lebensjahres blieb ihr leider versagt.

P. Körner