Martin Müller 1962 zum Schulneubau 1900

Das erste Schulgebäude in Gaußig war ein altes kleines Haus neben Kirche und Pfarrhaus, das 1842 die Schüler nicht mehr aufzunehmen vermochte. So entschloß man sich, die "Neue Schule" (das Gebäude befindet sich noch heute neben der Schule) zu errichten. Fortan wurde in beiden Gebäuden unterrichtet, aber bereits 1860 war die erste Schule baufällig geworden und die Schulgemeinde errichtete ein neues Schulhaus, das 1900 an den Sattlermeister Wolf, in dessen Familienbesitz es sich heute noch befindet, verkauft wurde. 1892 erscheint die "hohe Schulbehörde" in Gaußig und beanstandet die schulischen Verhältnisse im Ort.
40-50 Kinder sitzen in einem Klassenzimmer und behindern sich gegenseitig beim Schreiben, heißt es in den Pfarramtsakten. 320 Kinder werden in 6-8 Klassenzimmern unterrichtet. Eine Lehrerstelle ist unbesetzt, und die Klassenziele wurden nicht erreicht. Nun beginnt der Kampf um die Lösung des Problems!
  Zunächst faßt man den Anbau eines Klassenraumes ins Auge, doch die finanziell leistungsfähigste Gemeinde Naundorf geht eigene Wege und baut 1894 ein eigenes Schulhaus. Was nun? Hin und her schlagen die Wogen in den Sitzungen des Schulvorstandes. Ein Jahr Aufschub hat die Schulbehörde gewährt! Um möglichst billig zum Ziele zu kommen, beschließt der Schulvorstand 1894 mit 6 gegen 5 Stimmen (welche klugen Männer) ein neues Gebäude mit nur einem Schulzimmer zu errichten. Die Verfechter des Bauplanes einer Zentralschule mit 4 Lehrzimmern stießen auf Widerstand. Ein Glück, daß die Schulbehörde diesen Beschluß ablehnte und am 27. 8. 1894 einstimmig den Beschluß durchsetzte, daß ab sofort für die Ansammlung eines Schulbaufonds gesorgt wird und im Frühjahr 1899 mit dem Bau eines mindestens 3-klassigen Schulgebäudes begonnen wird. Der Schulvorstand entschließt sich, die beiden alten Schulgebäude zu verkaufen und eine Schule zu bauen, die über 4 Klassenzimmer verfügt und 4 Lehrerwohnungen aufweist. Mehrere Baufirmen werden beauftragt, Baupläne und Kostenanschläge einzureichen. Mitglieder des Schulvorstandes reisen in der Oberlausitz, ja in Sachsen umher, um Schulneubauten zu besichtigen. Schließlich einigt man sich auf den Entwurf des Baumeisters John, Löbau, den Bau nach dem Vorbild der Niedercunnersdorfer Schule durchzuführen.

70 000,- Mark beträgt der Kostenaufwand, der natürlich dem Schulvorstand neues Kopfzerbrechen bereitete. 20 000,- Mark erhoffte man sich aus dem Verkauf der beiden alten Schulen (das Gebäude an der Kirche wurde 1900 an den Sattlermeister Wolf, in dessen Familienbesitz es sich heute (1962) noch befindet, verkauft), 4800,- Mark umfaßte der Schulbaufonds. Woher aber die restlichen 46 000,- Mark nehmen? Ein Darlehnsgesuch an die Landständische Bank in Bautzen jagt das andere. Auch das königliche Kultusministerium Sachsen wird um eine Beihilfe aus Staatsmitteln ersucht. Beide Gesuche werden bewilligt. Die Landständische Bank stellt ein Darlehen von 46 000 Mark zur Verfügung, und auch das königliche Kultusministerium bewilligt eine Staatshilfe von 2000,- Mark. Nachdem man 2720m² vom Pfarrfeld am Dorfrand käuflich (?) erworben hat, wird am 19.7.1899 feierlich der Grundstein zum neuen Schulhause gelegt. Fleißig haben die Bauleute unter der Leitung von Herrn Winkler geschafft, denn Anfang Oktober feierten sie bereits Hebeschmaus, und der Schulvorstand beschließt, daß die Arbeiter Freibier und ein Tuch (Taschentuch - d. V.) bekommen.
  Schließlich ist der langersehnte Tag gekommen. Am 21. 9. findet die feierliche Schulweihe statt, und die Schulgemeinde Gaußig verfügt über ein modernes Schulgebäude mit 4 großen Klassenzimmern und über die notwendigen Wohnungen für Lehrer.
Und Schulleiter J.-P. Spychala ergänzt: Um 1914 ist in den Protokollen des Schulvorstandes wiederholt die wirtschaftliche Notlage der Schule Gegenstand der Beratungen. 40 Pfennige mußten die Eltern im Monat pro Kind Schulgeld zahlen, und Lehrmittelfreiheit gab es nicht. Dabei wurden 330 Kinder von 2 ständigen und 3 Hilfslehrern unterrichtet. Daß die Klassenkapazitäten bei 50 und mehr Schülern lagen, sei nebenbei erwähnt. … Im Protokoll des Schulvorstandes vom 6. 5. 1901 ist über eine Lehrerbewerbung folgende Eintragung zu finden: "Herr T. (Thar) wird zum Kirchschullehrer einstimmig gewählt in der Voraussetzung, daß Frau Gräfin Schall gegen den Bewerber Einwendungen nicht zu machen hat!" …