Aus der Chronik von Martin Müller, geschrieben 1962-1970

Zitate zur Communalgarde 1848

Gemeindebuch S. 39 bis 45
1848 Die Organisierung der Communalgarde betreffend
Am 25. April versammelten sich abends 6 Uhr die hiesigen Gemeindeglieder im hiesigen Wirtshaus, um die nötigen Vorbereitungen zur Komunalbewaffnung zu tun, und es wurden zunächst die gegenwärtigen Komunvertreter als Ausschußmitglieder angenommen. Jedoch noch von denselben vereint beantragt, außer denselben noch zwei andere Mitglieder aus der Komun zu wählen und deshalb der hiesige Hausbesitzer und Zimmermeister Karl Lehmann mit 37 und der Bäckermeister Kocher mit 29 Stimmen erwählt wurden.
Worauf den 1. und zwar auf Aklamation als Kommandant und den 2. als dessen Stellvertreter gewählt, was auch von denselben angenommen wurde.
Sowie den auch der H. Ortsrichter Med. pract. Rothe das nötige hierüber bei der Königl. Amtshauptmannschaft in Budissin anzuzeigen versprach und zugleich das bittliche Gesuch zu verbinden, daß uns von derselben eine Unterstützung an Gewehren für die Unbemittelten gnädigst gewährt werden möchte. Wie denn auch Herr. Med. prakt. Rothe selbst das Versprechen gab: Die nöthige Behandlung, so bei den Dienstverhältnissen der Comunalgarde entstehen sollte, unentgeldlich behandeln wollen.
  Im Laufe des Monats Mai wurden die Exerzierübungen begonnen, und den 1. Juli darauf Himmelfahrt Christi, hatten wir eine (Zusatz die erste deshalb) kleine Festlichkeit und zuerst unsern Chef Herrn Schmalz auf Birkau in unsrer Mitte. Die Versammelten gingen frohgelaunt, nachdem selbige noch vor 10 Uhr Abends auf dem vor dem Wirtshaus befindlichen Platze das Lied: Den König segne Gott pp. abgesungen und ein Lebehoch auf den allverehrten König Friedrich August von Sachsen ausgebracht worden war, auseinander.
Auch die hiesigen Jungfrauen und Frauen beteiligten sich dabei: Indem sich selbige beeiferten, der Comunalgarde eine Fahne zu verehren, und woran sich vorzugsweise die Jungfrau
Auguste Steudner, jüngste Tochter des Brauers Steudner
Marie Mros, Pfarrers Tochter
Clementine Esbig, Schullehrers Tochter
Klara Richter, Kramers Tochter
Amelie Pabst, nachgeb. Försters Tochter
Frau Zimmermeister Lehmann
Frau Steinmetzmeister Ackermann
Frau Verwalter Schmaus
Frau Gastgeber Zenker
Frau Tischler Hähnel
Frau Schullehrer Noack nicht minder Jungfrau Amalie Herrmann (eine Verwandte erstgenannter aus Taubenheim)
durch Sticken und Nähen an derselben beteiligten.

Am 9. Juli 1848 nachmittags, indem die Comunalgarde zuvor auf die sogenannte Kirchenwiese ausgerückt und dort in 2 Abteilungen aufgestellt war, wurde dieselbe welche auf der einen Seite den in schwarz und rothem Felde gelb gestickten Wahlspruch (in großen römischen Buchstaben)

Alle für Einen und Einer für Alle

auf der andern aber weißen Seite Gaußig 1848 (gelb) und mit einem Eichenkranz umgeben, das Ganze aber von goldgelben Fransen umgeben, an einem schwarzen Stabe, mit vergoldetem Speer, mit gelben Nägeln befestigt und überdies noch mit einer goldähnlichen Quaste verziert und Blumengewinden eingekleideten Jungfrauen, welche den einzigen Sohn des hiesigen Braupächters Steudner, mit der fliegenden Fahne in ihrer Mitte hatten, welcher als Auszeichnung ein breites Band mit den Freiheitsfarben über die Schulter gehangen trug, und noch von einem wohlgeübten Musikchor vorangehend, und von vielen angeschlossenen weiblichen und andern Personen begleitet dahin gebracht, und nachdem Auguste Steudner folgende Worte gesprochen hatte:
Wenn der kräftige Jüngling und Mann die Waffen ergreifen, zum Schutze und Ordnung des Vaterlandes und häuslichen Herdes, fühlen auch deutsche Frauen und Jungfrauen sich erhoben, daß ob auch unser Beruf in die stillen Räume des Hauses uns verweiset, unser Herz doch fürs Vaterland glüht und brennt, die Opfer anerkennt, welche ein deutscher Mann dem allgemeinen Wohle bringt, möge dies Panier, ein Werk unsrer Hände, Ihnen beweisen.
  Überzeugt, daß der Wahlspruch, welchen dies Panier trägt, den Sinn ausdrückt, der sie alle beseelt, überreichen wir es Ihnen mit dem seligen Wunsche des ferneren Fortbestehens der hiesigen Comunalgarde.
... von derselben dem Kommandanten überreicht. Worauf dann derselbe ungefähr mit folgenden Worten entgegnete:
Ich fühle mich hiermit gedrungen, in diesem Augenblick der Überraschung für die Gaußiger Kommunalgarde das Wort zu ergreifen und Ihnen, edelgesinnte Jungfrauen und Frauen zu erklären, daß die hiesige Kommunalgarde stets unter diesem Banner das Gesetz und Ordnung nach Kräften werde suchen, aufrecht zu erhalten.
Sie Edelgesinnte aber: bei vorkommenden Gefahren und jeden Verhältnissen in unserer Mitte einschließen werden, und spreche daher gegen Ihnen edelgesinnte Jungfrauen und Frauen Gaußigs im Selbstgefühle als auch im Namen der ganzen hiesigen Kom.-Garde für Ihren edlen Sinn, und namentlich für diese uns eben verehrt gewordene kunst- und sinnreiche als auch zierlich geschmückte Fahne und dadurch so unvergeßlich zu Theil gewordene Ehre , den innigsten und herzlichsten Dank aus.

Hierauf wurde denselben, nicht minder allen denjenigen, die sich dabei beteiligt hatten, ein donnerndes Hoch gebracht. Nächstdem auch unserm allverehrten König von Sachsen und sämtlichen Komunalgarden und dem General-Komando derselben.

Nachdem nun unter diesem Panier der Handschlag der Treue gegeben worden war, erfolgte nach einigen Cornanzen der Einzug nach dem Orte, welcher sich, die edlen Jungfrauen und Frauen in wohlgeordneten Zuge in ihrer Mitte eingeschlossen, begleitet von einer großen Menge sich sehr ruhig verhaltender Zuschauer von Nah und Fern, zunächst (unter vorangehendem Musikchor) vor das hochgräfliche Schloß, hier wurde in Parade-Front aufmarschiert, dem Herrn Grafen Karl v. Schall-Riaucour und seiner Familie ein gewiß herzliches Hoch gebracht, welches auch unter Thränen gerührt dankenden Worten der Herr Graf entgegnete. Nachdem bewegte sich der Zug unter einigen Schwenkungen um die Kirche durch den Ort nach dem Gasthofe, wo dieselbe zur Aufbewahrung übergeben wurde. Hierauf ward eine kleine Festlichkeit durch Tanzvergnügen abgehalten, wobei sich auch die gräfliche Familie beteiligte (nachdem selbige zuvor durch eine Deputation dazu eingeladen worden war), was gewiß jeden Anwesenden hoch erfreuen mußte. Alle und jedes Standes so traulich und vergnügt untereinander verbrüdert zu sehen, wobei es sich der Gastgeber Zenker als damaliger Fahnenträger besonders angelegen sein ließ, die verehrten Frauen und Jungfrauen, durch genießen verschiedener Getränke für seine Rechnung bewirthen zu lassen.   Nach einigem Aufenthalt der hochgräflichen Herrschaften wurde denselben unter zweckmäßiger Ansprache vom Kommandanten der Kommunalgarde (Zmstr. Lehmann) in Bezug auf die Feier herzlich gedankt und ein donnerndes Hoch unter klirrenden Pokalen gebracht. Und so endete denn eine Festlichkeit, welche die Bewohner Gaußigs noch nie erlebt hatten, nachdem zuvor beschlossen worden war, diesen Tag, den 9. Juli, oder statt dessen den nächstfolgenden Sonntag durch ein alljährliches Gedächtnisschießen der Kommunalgarde, die Fahnenübergabe an dieselbe, zu begehen.
Wie wohl noch spät nach Mitternacht manches Tänzchen gemacht worden war, war doch durch nichts diese Feier gestört worden, und jeder ging frohen Sinnes nach Hause, eingedenk dessen, was hier noch nie vorgekommen war.

Hähnel